Protestwoche der Letzten Generation
Innsbruck - Juni 2023
Willi P. (57) ist Uhrmacher und lebt in einer kleinen Gemeinde am Eingang zum Ötztal. Wie schon zuvor seim Vater betreibt er dort eine Werkstatt in Oetz.
Magdalena V.(23) lebt in Graz und studiert Stadtentwicklung. Die gebürtige Vorarlbergerin hat sich während ihrer Bachelorarbeit mit Stadtökologie beschäftigt, unter anderem auch damit, wie viele Bäume eine Stadt bräuchte, um das selbst ausgestoßene CO2 zu
kompensieren.
Das Ergebnis sei ernüchternd gewesen: Über eine Million Bäume.
Während der Pandemie und vor allem durch viele Diskussionen mit seiner Tochter hat sich bei ihm ein Umdenken eingestellt. Seine Tochter nahm schon vor ihm an den Protesten der Letzten Generation teil. Willi ist der Meinung: "Unsere und die vorherige Generation haben eine Verpflichtung für die Zukunft unserer Kinder. Es wurde lange versäumt, diese wahrzunehmen."
Er möchte seine Tochter sowie die gesamte jüngere Generation nicht im Stich lassen und geht deshalb mit auf die Straße.
„Warum soll ich in die Uni gehen, wenn wir in 20 Jahren kein Essen oder Wasser mehr haben?“
Um an der Protestwoche in Innsbruck teilnehmen zu können, bekommt sie Rückhalt von der Universität, so konnte sie eine anstehende Präsentation verschieben.
„Bei Protesten lernt man fürs Leben, vor allem für die eigene Haltung einzustehen.“
Einunddreißig Jahre lang betrieb Willi ein Juweliergeschäft in Sölden, mittlerweile arbeitet er ausschließlich in seiner Uhrmacherwerkstatt in Oetz. In der kleinen Gemeinde sehen die Menschen zwar die Probleme des Klimawandels, Verständnis für die Art des Protests der Letzten Generation haben allerdings nur Wenige. Immer wieder liest er unschöne Kommentaren auf Facebook von bekannten Personen aus dem Tal. Durch die mediale Aufmerksamkeit befürchtet er ein Abwandern seiner Kundschaft. Dieses Risiko nimmt er jedoch in Kauf
Durch die Teilnahme an den Protesten ist man sehr exponiert und setzt sich vielen Beschimpfungen aus, das sei emotional sehr fordernd. Die Polizei in Tirol dagegen sei sehr gemäßigt. Es werden oft nur Personalien, für spätere Anzeigen aufgenommen Während der Protest Woche in Wien hingegen, hätten sie nach jedem Protest den Rest des Tages im Polizeianhaltezentrum verbracht. Er fühlt sich sehr ausgeglichen, weshalb er besser mit Leibesvisitation und langen Stunden des Wartens umgehen kann als andere.
Magdalena ist Yogalehrerin und startet jeden Morgen mit einer Meditation. Das entspanne sie und gebe Ihr innere Ruhe. So auch hier, kurz vor einer Blockade bei der Vorbesprechung.
Die ruhige Arbeit in seiner kleinen Werkstatt in Oetz sei das richtige für Ihn. Der arbeitsintensive Saisonarbeit im Tourismus Sölden, kehrte er zugunsten einer höheren Lebensqualität den Rücken zu. Willi’ s Ausgeglichenheit ist auch in seinem Hobby das Imkern wichtig, nur so ist möglich ohne Schutzanzug mit den Bienen zu arbeiten
In Graz ist Magdalena Teil eines Gemeinschaftsgartens. Die Arbeiten in und mit der Natur machen ihr Freude. Sie ist der Meinung, die Menschen müssen wieder lernen mit der Natur im Einklang zu leben.
In heutigen großen grauen Städten, seien die Bäume sehr einsam, da sie über Wurzeln miteinander kommunizieren, durch Beton und Asphalt jedoch voneinander isoliert sind.
Willi ist während drei der fünf Protesttage in Innsbruck. Er protestiert und unterstützt die anderen damit, dass er am Abend für alle kocht.
Er kann sich die Arbeit gut einteilen und konnte sich deswegen unter der Woche etwas Zeit verschaffen. Wenn Willi bei den Protesten ist, nimmt
seine Schwester für ihn Aufträge entgegen. Sie betreibt neben der Werkstatt ein Blumengeschäft. Dass ihr Bruder sich bei der Letzten Generation engagiert, lässt sie unbeeindruckt, solange er sich nicht im Ötztal auf die Straße setz.
Die restlichen Tage der Protestwoche bleibt Willi dann in der Werkstatt.
Für Magdalena geht es noch weiter. Drei Tage in Folge wurde in der Stadt blockiert. Für Donnerstag steht etwas spezielles auf dem Plan, dafür werden auch Prinzipien gebrochen und ein Auto also Hilfsmittel genommen
Der Brenner, Haupttransitweg nach Italien, soll blockiert werden. Drei Autos fahren auf gleicher Höhe nebeneinander her und bremsen den Verkehr aus.
Nachdem sich ein Stau gebildet hat, setzen sich Aktivist:innen weiter hinten zwischen den wartenden Autos in die Blockade. Auf der Europabrücke versucht der Fahrer des Bentleys die Aktivist:innen davon zu überzeugen, ihn durchzulassen - er müsse schließlich in den Urlaub nach Italien
Mit sieben Personen werden die Autos und Lastwagen am weiterfahren gehindert. Manche von ihnen kleben sich fest und müssen von der Polizei
mit Aceton gelöst werden. Die Empörung bei den Autofahrenden ist groß, nur der Lastwagenfahrer in der ersten Reihe bleibt gelassen,
Die Aktivist:innen werden von der Straße geräumt, der Verkehr setzt sich wieder in Bewegung, währen die Personalien der Aktivist:innen aufgenommen werden. Einzelne Passant:inen fordern, dass sie mitgenommen werden sollen, doch die Polizei lässt die Aktivist:innen nach der Identitätsfeststellung gehen.
Der Nachhauseweg mit den Öffentlichen wurde darauf erst noch geplant, man sei davon ausgegangen, das man zurück nach Innsbruck gefahren werde, erklärt ein Aktivist sarkastisch.
Beim Debriefing erzählt Magdalena, wie es ihnen gelang, durch die richtige Formation der drei Fahrzeuge den Verkehr zum Erliegen zu bringen.
Magdalena fühlt sich nach den Protesten nicht müde, sondern zieht daraus viel Kraft und fühlt sich häufig stärker, hoffnungsvoller und teilweise erleichtert etwas getan zu haben.
Anderseits merkt man ihr an, dass das Passierte auch verarbeitet werden muss, sie wirkt unruhig und fahrig. Sie überlegt, ob sie noch für den letzten Tag der Protestwelle bleiben soll.
Sie entscheidet sich dann aber doch dafür, zurück nach Graz zu fahren. Für den nächsten Tag ist dort eine Fahrraddemonstration geplant, an der sie teilnehmen möchte
Eine Woche später kommt es zum Dialog zwischen Vertreter:innen der Politik, Scientists for Future und der Letzten Generation. Der Saal im Landesmuseum ist bis über den letzten Stuhl hinaus gefüllt.
Alle Seiten betonen die Dringlichkeit der Lage, doch konkrete Zusagen bleiben aus.
Protestwoche der Letzten Generation
Innsbruck - Juni 2023
Willi P. (57) ist Uhrmacher und lebt in einer kleinen Gemeinde am Eingang zum Ötztal. Wie schon zuvor seim Vater betreibt er dort eine Werkstatt in Oetz.
Magdalena V.(23) lebt in Graz und studiert Stadtentwicklung. Die gebürtige Vorarlbergerin hat sich während ihrer Bachelorarbeit mit Stadtökologie beschäftigt, unter anderem auch damit, wie viele Bäume eine Stadt bräuchte, um das selbst ausgestoßene CO2 zu
kompensieren.
Das Ergebnis sei ernüchternd gewesen: Über eine Million Bäume.
Während der Pandemie und vor allem durch viele Diskussionen mit seiner Tochter hat sich bei ihm ein Umdenken eingestellt. Seine Tochter nahm schon vor ihm an den Protesten der Letzten Generation teil. Willi ist der Meinung: "Unsere und die vorherige Generation haben eine Verpflichtung für die Zukunft unserer Kinder. Es wurde lange versäumt, diese wahrzunehmen."
Er möchte seine Tochter sowie die gesamte jüngere Generation nicht im Stich lassen und geht deshalb mit auf die Straße.
„Warum soll ich in die Uni gehen, wenn wir in 20 Jahren kein Essen oder Wasser mehr haben?“
Um an der Protestwoche in Innsbruck teilnehmen zu können, bekommt sie Rückhalt von der Universität, so konnte sie eine anstehende Präsentation verschieben.
„Bei Protesten lernt man fürs Leben, vor allem für die eigene Haltung einzustehen.“
Einunddreißig Jahre lang betrieb Willi ein Juweliergeschäft in Sölden, mittlerweile arbeitet er ausschließlich in seiner Uhrmacherwerkstatt in Oetz. In der kleinen Gemeinde sehen die Menschen zwar die Probleme des Klimawandels, Verständnis für die Art des Protests der Letzten Generation haben allerdings nur Wenige. Immer wieder liest er unschöne Kommentaren auf Facebook von bekannten Personen aus dem Tal. Durch die mediale Aufmerksamkeit befürchtet er ein Abwandern seiner Kundschaft. Dieses Risiko nimmt er jedoch in Kauf
Durch die Teilnahme an den Protesten ist man sehr exponiert und setzt sich vielen Beschimpfungen aus, das sei emotional sehr fordernd. Die Polizei in Tirol dagegen sei sehr gemäßigt. Es werden oft nur Personalien, für spätere Anzeigen aufgenommen Während der Protest Woche in Wien hingegen, hätten sie nach jedem Protest den Rest des Tages im Polizeianhaltezentrum verbracht. Er fühlt sich sehr ausgeglichen, weshalb er besser mit Leibesvisitation und langen Stunden des Wartens umgehen kann als andere.
Magdalena ist Yogalehrerin und startet jeden Morgen mit einer Meditation. Das entspanne sie und gebe Ihr innere Ruhe. So auch hier, kurz vor einer Blockade bei der Vorbesprechung.
Die ruhige Arbeit in seiner kleinen Werkstatt in Oetz sei das richtige für Ihn. Der arbeitsintensive Saisonarbeit im Tourismus Sölden, kehrte er zugunsten einer höheren Lebensqualität den Rücken zu. Willi’ s Ausgeglichenheit ist auch in seinem Hobby das Imkern wichtig, nur so ist möglich ohne Schutzanzug mit den Bienen zu arbeiten
In Graz ist Magdalena Teil eines Gemeinschaftsgartens. Die Arbeiten in und mit der Natur machen ihr Freude. Sie ist der Meinung, die Menschen müssen wieder lernen mit der Natur im Einklang zu leben.
In heutigen großen grauen Städten, seien die Bäume sehr einsam, da sie über Wurzeln miteinander kommunizieren, durch Beton und Asphalt jedoch voneinander isoliert sind.
Willi ist während drei der fünf Protesttage in Innsbruck. Er protestiert und unterstützt die anderen damit, dass er am Abend für alle kocht.
Er kann sich die Arbeit gut einteilen und konnte sich deswegen unter der Woche etwas Zeit verschaffen. Wenn Willi bei den Protesten ist, nimmt
seine Schwester für ihn Aufträge entgegen. Sie betreibt neben der Werkstatt ein Blumengeschäft. Dass ihr Bruder sich bei der Letzten Generation engagiert, lässt sie unbeeindruckt, solange er sich nicht im Ötztal auf die Straße setz.
Die restlichen Tage der Protestwoche bleibt Willi dann in der Werkstatt.
Für Magdalena geht es noch weiter. Drei Tage in Folge wurde in der Stadt blockiert. Für Donnerstag steht etwas spezielles auf dem Plan, dafür werden auch Prinzipien gebrochen und ein Auto also Hilfsmittel genommen
Der Brenner, Haupttransitweg nach Italien, soll blockiert werden. Drei Autos fahren auf gleicher Höhe nebeneinander her und bremsen den Verkehr aus.
Nachdem sich ein Stau gebildet hat, setzen sich Aktivist:innen weiter hinten zwischen den wartenden Autos in die Blockade. Auf der Europabrücke versucht der Fahrer des Bentleys die Aktivist:innen davon zu überzeugen, ihn durchzulassen - er müsse schließlich in den Urlaub nach Italien
Mit sieben Personen werden die Autos und Lastwagen am weiterfahren gehindert. Manche von ihnen kleben sich fest und müssen von der Polizei
mit Aceton gelöst werden. Die Empörung bei den Autofahrenden ist groß, nur der Lastwagenfahrer in der ersten Reihe bleibt gelassen,
Die Aktivist:innen werden von der Straße geräumt, der Verkehr setzt sich wieder in Bewegung, währen die Personalien der Aktivist:innen aufgenommen werden. Einzelne Passant:inen fordern, dass sie mitgenommen werden sollen, doch die Polizei lässt die Aktivist:innen nach der Identitätsfeststellung gehen.
Der Nachhauseweg mit den Öffentlichen wurde darauf erst noch geplant, man sei davon ausgegangen, das man zurück nach Innsbruck gefahren werde, erklärt ein Aktivist sarkastisch.
Beim Debriefing erzählt Magdalena, wie es ihnen gelang, durch die richtige Formation der drei Fahrzeuge den Verkehr zum Erliegen zu bringen.
Magdalena fühlt sich nach den Protesten nicht müde, sondern zieht daraus viel Kraft und fühlt sich häufig stärker, hoffnungsvoller und teilweise erleichtert etwas getan zu haben.
Anderseits merkt man ihr an, dass das Passierte auch verarbeitet werden muss, sie wirkt unruhig und fahrig. Sie überlegt, ob sie noch für den letzten Tag der Protestwelle bleiben soll.
Sie entscheidet sich dann aber doch dafür, zurück nach Graz zu fahren. Für den nächsten Tag ist dort eine Fahrraddemonstration geplant, an der sie teilnehmen möchte
Eine Woche später kommt es zum Dialog zwischen Vertreter:innen der Politik, Scientists for Future und der Letzten Generation. Der Saal im Landesmuseum ist bis über den letzten Stuhl hinaus gefüllt.
Alle Seiten betonen die Dringlichkeit der Lage, doch konkrete Zusagen bleiben aus.